Vor der Stille
Hanna Will, Kommissarin, und Jan de Bruyn, Kriminalpsychologe, arbeiten als Sonderermittler und kommen zum Einsatz, wenn die örtlichen Ermittler nicht weiterkommen. Das ist hier der Fall: eine junge Frau wird in einem Kanal ertrunken aufgefunden, und die Arbeit der lokalen Polizei stagniert.
Die beiden Sonderermittler werden nicht von der gesamten SoKo willkommen geheißen. Einige der Kriminalisten fühlen sich an den Rand gedrängt und bevormundet von den Kollegen aus der Stadt, wobei sich ein Polizist als besonders eifersüchtig und rechthaberisch erweist. Das Verhältnis wird noch schwieriger, als die beiden Sonderermittler schwere Versäumnisse des örtlichen Teams aufdecken. Damit bringen sie zwar die Ermittlungen auf die letztlich richtige Spur, aber die Schwierigkeiten sind aufreibend, und die beiden Sonderermittler stehen immer kurz davor, ihre Arbeit abzubrechen. Auch die Leitung der SoKO ist recht eigensinnig und beharrt auf ihrer Führungskompetenz, was die Schwierigkeiten weiter vergrößert.
Die beiden Sonderermittler verhalten sich in dieser schwierigen Situation allerdings nicht kooperativ. Sie fügen sich nicht ins Team ein, treten gelegentlich besserwisserisch auf und unternehmen Alleingänge, ohne das Team zu informieren. Ermittlungsarbeit ist Teamarbeit, und der Unwille des örtlichen Teams ist ein Stück weit verständlich. Es ist Geschmackssache, ob man diesen Typus des genialischen und eigenwilligen Ermittlers mag. Die Ermittlungsarbeit selber wird sehr realistisch geschildert mit vielen Überlegungen, die auch in Sackgassen führen.
Neben der Ermittler-Arbeit nehmen die privaten Dinge sehr viel Raum ein, v. a. die bevorstehende Scheidung des Psychologen, mit der er überfordert ist und die Unterstützung seiner Kollegin erfährt.
Der Band ist der 3. Band der Reihe um die beiden Sonderermittler. Er kann problemlos als Einzelband gelesen werden, es sind keine Vorkenntnisse notwendig.
Insgesamt ein mäßig spannender, aber solide erzählter Krimi.
Spurensuche im Emsland
"Vor der Stille" ist der dritte Band des Ermittlerduos Hanna Will und Jan de Bruyn.
Schön an dieser Reihe finde ich, dass die Nebenprotagonisten wechseln, da die beiden als Spezialeinheit immer wechselnde Einsatzorte haben. Dieses Mal verschlägt es sie ins Emsland. Eine besondere Gegend.
Die Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden ist nicht ganz spannungsfrei und gibt der Handlung ein Gegengewicht zu den Ermittlungen und gleichzeitig eine tiefere Charakterisierung der beiden Protagonisten. Außerdem bieten diese verschiedenen Einsatzorte der Autorin die Möglichkeit, Jan und Hanna in einem Wohnmobil wohnen zu lassen, was ich für ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal halte.
Die beiden haben sich mittlerweile gut eingespielt und finden durch ihre strukturierte Vorgehensweise Schwachstellen, die die örtlichen Ermittler nicht auf dem Schirm hatten. Das birgt Konfliktpotential, ist aber gleichzeitig sehr spannend.
Anders als in den Vorgängerbänden sind Hanna und Jan nun auf Augenhöhe und gleichen sich in ihren Stärken und Schwächen an. Das ist süß, zuweilen romantisch und gibt dem Leser durch diese privaten Einblicke etwas Zeit, die Krimihandlung zu verdauen.
Diese ist sehr geradlinig und lokal, birgt aber dennoch ein brisantes Thema. Wobei die Autorin hier etwas zu stereotyp arbeitet, da alle männlichen Personen sehr unsympathisch beschrieben werden. (Außer Jan natürlich). Hier hätte ich mir etwas mehr Abwechslung gewünscht. Wobei es dann wahrscheinlich zu viele Nebenprotagonisten gegeben hätte.
Der Fall ist spannend und lebt neben einigen Verfolgungsjagden von der Dynamik der Ermittlungen, den Differenzen zwischen den verschiedenen Ermittlerteams und den Gefühlen von Jan und Hanna gegenüber den Verdächtigen.
Das Buch hat noch einen netten Nebeneffekt: Da Hanna und Jan mit dem Wohnmobil unterwegs sind, bekommt jede Region ihren eigenen kleinen Reiseführer über tolle Wohnmobilstellplätze, gute Restaurants und wo es den besten Kaffee gibt.
Fazit: Wieder einmal richtig klasse